Presseinformation 03/2020 - Flossenbürg, 21.04.2020
75. Jahrestag digital anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg
Am 26. April 2020 hätten unter großer öffentlicher Beteiligung die Feierlichkeiten anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg stattfinden sollen. Etwa 20 Überlebende und Hunderte Angehörige aus aller Welt wollten dafür nach Flossenbürg reisen. Am 10. März 2020 wurde bundesweit vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie jedoch beschlossen, alle Gedenkfeiern abzusagen. Seitdem haben wir mit größtem Engagement daran gearbeitet, ein adäquates digitales Format zu entwickeln, das den sehr besonderen Charakter der Gedenkfeiern in Flossenbürg ausdrücken kann.
Mehr als 50 Personen – Überlebende, Angehörige, Mitarbeiter*innen der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg sowie Vertreter*innen von Politik und Interessensverbänden aus aller Welt – haben sich mit Texten, Fotos oder Videos beteiligt. Sie setzen mit ihren Beiträgen ein ganz persönliches Zeichen und machen damit deutlich, welche Bedeutung der 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Flossenbürg sowohl für sie ganz persönlich als auch für die internationale Gemeinschaft generell hat. Die Statements werden am 23. April 2020 unter www.75liberation.gedenkstaette-flossenbuerg.de der Öffentlichkeit präsentiert.
„Es ist uns unendlich schwergefallen, die Gedenkfeiern zum 75. Jahrestag der Befreiung absagen zu müssen.“, sagt der Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg Dr. Jörg Skriebeleit. „Es war unser zentrales Anliegen, die internationale Vielstimmigkeit, die Menschlichkeit der Begegnungen und die fundamentale Bedeutung dieses Gedenktages in digitaler Form zu vermitteln. Wir sind überwältigt von den Reaktionen, die wir aus aller Welt erhalten haben. Sie zeigen ein Mosaik von Stimmen und Eindrücken, die in ihrer Gesamtschau ein berührendes und eindrucksvolles Gesamtbild ergeben.“
„Unser Dank gilt allen, die sich an der Organisation des diesjährigen Gedenkaktes beteiligt haben und einen Beitrag zur Realisierung dessen leisten wollten. Wir hoffen, dass wir viele von den Projektideen, die wir im Rahmen der diesjährigen Befreiungsfeierlichkeiten umsetzten wollten, im nächsten Jahr anlässlich des 76. Befreiungstages im April 2021 realisieren können“, sagt Skriebeleit.
Es folgen ausgewählte Statements:
Prof. Leszek Zukowski, ehemaliger Häftling, Warschau, Polen
Den 75. Jahrestag der Befreiung betrachte ich unter dem Aspekt des Alters der ehemaligen Häftlinge des Konzentrationslagers Flossenburg. Im letzten Jahr ich mich verabschiedet. Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal wiederkommen werde. Dennoch wollte ich 2020 erneut kommen. Die jährlichen Treffen sind eine Gelegenheit, Blumen niederzulegen und über der Asche unserer Familienmitglieder zu beten. Zugleich sind sie ein Beweis dafür, dass ehemalige Häftlinge und die heutigen Gastgeber der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg Freunde sein können. Die 75-Jahr-Feier der Befreiung des Konzentrationslagers Flossenburg könnte das offizielle Ende dieser Art von Feierlichkeiten sein – unter Beteiligung ehemaliger Häftlinge.
Josef Salomonovic, ehemaliger Häftling, Wien, Österreich
Dieses jährliche Treffen der Überlebenden, Familien und Freunden ist so wichtig, vor allem um den Toten zu gedenken, die nicht mehr daran teilnehmen können und allen denen, die dieses furchtbare Schicksal nicht überlebt haben. Das gesellige Beisammensein, das Wiedersehen der ehemaligen Leidgenossen ist so wichtig, denn es zeigt den Zusammenhalt, den das Flossenbürg Team pflegt und in wunderbarer Weise lebt.
Anita Kissil, Witwe des ehemaligen Häftlings Julek Kissil, Nürnberg, Deutschland
Wenn Julek nicht am 23.4.1945 befreit worden wäre, hätte ich meinen Mann nie kennengelernt. Flossenbürg hat uns in den 40 Ehejahren immer begleitet. Die jährlichen Treffen in Flossenbürg bedeuten für mich ein großes Familienfest. Es haben sich Freundschaften mit dem Team und den Überlebenden entwickelt. Mir fehlen die Gespräche mit dem Team, den Überlebenden und den Jugendlichen aus verschiedenen Ländern. Ich hoffe auf ein Wiedersehen nach einem Jahr.
Elke Durnez, Enkeltochter des ehemaligen Häftlings Marcel Durnez, Geluwe, Belgien
I feel a strange kind of longing for this place [Flossenbürg], which was once my grandfather’s and great uncles’ worst nightmare. I long for the people, all kinds of people, inhabitants, staff, families from all over the world, only knowing most of them from seeing or chatting to them once a year, but feeling connected, on the same page. Like we belong there. Flossenbürg is a little bit ours. History brought us here. But we know that today and tomorrow are the true objective. Remembering in that perspective, is the key to our peaceful, unlimited future. We may not be able to remember together this year, but remembering we will. 75 years is a good-looking number, but it actually doesn’t matter what number it is or will be. I hope that there will always be the necessary attention for places like these, any time.
Cherrie Daniels, Special Envoy for Holocaust Issues in the Bureau for European and Eurasian Affairs, Washington D.C., USA
Each year there are fewer eyewitnesses left to remind us of the atrocities of the Holocaust and the campaign of the Nazi persecution as there are ever fewer survivors among us the significance of their testimonies assumes an ever-larger significance. To honour the victims and survivors we must collectively renew our focus on Holocaust education and commemoration and commit ourselves to combating anti-Semitism as well as all forms of racial, religious and ethnic prejudice, discrimination and hatred.
Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, München, Deutschland
Jahrestage sind Tage des Erinnerns. Das Gedenken an die Opfer und die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen ist und bleibt auch ein Dreivierteljahrhundert danach unsere Aufgabe und Pflicht. Die Warnung aus dem Gestern dient dem Frieden von morgen! Nie wieder dürfen Verachtung und Ausgrenzung, Hass und Hetze, Tod und Vernichtung unser Land beherrschen. Die Stiftung Bayerische Gedenkstätten mit allen Gremien und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiß um ihre Verantwortung und nimmt ihre Aufgabe sehr ernst. Wir werden vom Bund und vor allem vom Freistaat Bayern stark unterstützt und arbeiten derzeit intensiv an weitreichenden Plänen für die Zukunft der beiden Gedenkstätten. Wichtig für unsere Arbeit wird auch die Einbindung der Nachkommen von Überlebenden und Opfern werden.