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Martha Bürger

geboren am 4. Mai 1922

  • Martha Drescher mit 17 Jahren, 1939 (Privatbesitz)

KZ-Haft als Strafe für eine Liebesbeziehung

Martha Drescher, als älteste Tochter einer Arbeiterfamilie im Sudetenland geboren, lebt seit 1938 mit ihrer Familie in der schlesischen Kleinstadt Bad Ziegenhals (heute: Głuchołazy, Polen). 1940 fällt Marthas Freund als Soldat an der Westfront. Das Kind, das sie von ihm erwartet, stirbt kurz nach der Geburt. Ein Jahr später beginnt die 19-Jährige heimlich eine Liebesbeziehung mit dem Ukrainer Iwan Litwintschuk, der als Zwangsarbeiter in Bad Ziegenhals eingesetzt ist. Martha wird erneut schwanger.

Als der Vater ihres gefallenen Freundes von der Beziehung erfährt, denunziert er die beiden. Die Gestapo verhaftet Martha und Iwan im März 1942 und wirft ihnen „verbotenen Geschlechtsverkehr“ vor. Iwan Litwintschuk wird ins KZ Auschwitz eingeliefert und stirbt dort Mitte Januar 1943. Martha erhält Haftaufschub, bis ihr Kind drei Monate alt ist. Dann weist sie die Gestapo ins KZ Ravensbrück ein. Ihre Tochter Erika bleibt bei den Großeltern. Nach einigen Monaten überstellt die SS Martha Drescher in das Außenlager Neurohlau bei Karlsbad (heute: Karlovy Vary, Tschechien), das 1944 dem KZ Flossenbürg zugeordnet wird. Sie leistet dort schwere Zwangsarbeit in einer Fabrik, die Geschirr für SS, Wehrmacht und das Rote Kreuz herstellt. Die Häftlinge werden sehr schlecht versorgt und häufig vom Wachpersonal schikaniert. Ab Mitte März 1945 löst die SS das Lager auf. Als die letzten Wachen fliehen, ist auch Martha Drescher frei.

  • Brief von Iwan Litwintschuk aus dem Gefängnis an Martha Drescher, 25. Mai 1942 (Privatbesitz)

Im Sommer 1946 kommt sie mit einem Vertriebenentransport aus der Tschechoslowakei nach Bayern. Mit Hilfe des Suchdienstes des Roten Kreuzes findet sie endlich ihre Familie wieder, die gegen Kriegsende aus Schlesien geflohen war. Ihre Tochter Erika ist inzwischen vier Jahre alt. Mit Gerhard Bürger, den Martha 1947 heiratet, bekommt sie weitere fünf Kinder. Nur vorübergehend erhält sie von den deutschen Behörden materielle Unterstützung als „politisch Verfolgte“ des NS-Regimes für sich und ihr Kind. 1954 stirbt Martha Bürger im Alter von 31 Jahren an Leukämie.

  • Martha Bürger mit ihrem Sohn Siegfried, 1947 (Privatbesitz)

  • Martha Dreschers Antrag auf „Sonderhilfe“, 1946 (Privatbesitz)

    Ihrem Antrag wird zunächst stattgegeben, da sie nachweisen kann, KZ-Häftling gewesen zu sein. „Sonderhilfe“ umfasst Geldleistungen, die Zuteilung erhöhter Lebensmittelrationen und größeren Wohnraums sowie eine bevorzugte Arbeitsplatzvermittlung. 1948 verweigert der zuständige Ausschuss Martha Bürger die „Sonderhilfe“ mit der Begründung: „Der als Grund für die Inhaftierung angegebene Verkehr mit Ukrainern ist zwar als politische Handlung im weiteren Sinne, nicht aber als antinationalsozialistisches Verhalten zu kennzeichnen.“